Anke Lechtenberg Die Sonntagsevangelien im Lesejahr B
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2023
ISBN 978-3-7917-3446-0
184 Seiten | kartoniert | € 18,00 (D)
Das Nachfolgewerk ließ nicht lange auf sich warten: Nach Auslegung für Predigt und Meditation zu den Sonntagsevangelien im Lesejahr A liegt nun ein Jahr später der zweite Band zum Lesejahr B vor. Analog im Erscheinungsbild hält man ein kompaktes Buch in der Hand, das nun das Markusevangelium in den Blick nimmt. Es begegnet dem Leser in vertrauter Form: kompakt, überschaubar, in übersichtlicher Struktur mit jedem Sonntag als einzelnem Kapitel, markant überschrieben, jede Auslegung auf einer Doppelseite oder unwesentlich mehr, so dass es sich als begleitende Lektüre zum Evangelium eines Sonntags bestens eignet. Auch der Aufbau ist gleich geblieben und entspricht dem Jahreslauf des Kirchenjahres.
Sehr ansprechend wie auch fordernd ist gleich zu Beginn die kurz beschriebene Methode der Schriftbetrachtung nach Ignatius von Loyola. Mit ihr erfahren wir eine Form der Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift, die ganz einem modernen Ansatz entspricht: sich einen Raum schaffen und bewusst von den Worten ansprechen lassen, so dass man selbst in Beziehung treten kann und die Worte an sich heranlässt. Warum? Damit man sich dem Wort nicht entzieht, und damit Verwandlung geschehen kann.
Die Auslegungen sind aktualitätsbezogen und alltagstauglich. Die Frohe Botschaft gilt nicht den Schriftgelehrten, sie richtet sich an uns. Wir sind genauso abgelenkt oder ängstlich wie viele Menschen, die uns in der Schrift vorgestellt werden. Warum die Begegnungen mit Jesus sie verändert haben und was der Kontakt mit seinem Wort in ihnen ausgelöst hat, ist für uns Beispiel und Vorbild. Das macht die Autorin in ihren Auslegungen deutlich.
Als „rasant“ bezeichnet die Autorin das Markusevangelium, weil es so kurz und knapp erzählt, was geschieht, wenn sich die Welt dem Reich Gottes öffnet. Entsprechend schonungslos, in einer erfrischenden Sprache und mit nüchtern-kritischem Blick auf den Glauben und auch auf die heutige Form der Kirche beschreibt sie, was in einzelnen Abschnitten des Evangeliums gemeint ist. Jesus ist der Hirte, so hören wir etwa in der Osterzeit, aber die Kirche erlaubt sich Hirten und sogar Oberhirten und nimmt damit zugleich die Ausgrenzung von Menschen vor. Eine neue Haltung ist erforderlich – auch den Frauen gegenüber – und damit alles von dem, was wir durch die Frohe Botschaft erfahren.
An allen Sonntagen und somit zentral für das Markusevangelium geht es um eines: um das In-Beziehung-Sein, mit Gott, mit sich selbst, mit den anderen Menschen, und somit letztlich um unsere Verortung im Leben.
Die Autorin nutzt passende Zitate aus der Literatur, ohne das Buch zu überfrachten, und macht die Botschaft dadurch unmittelbar und greifbar. Sie benennt auch die systemischen Muster unserer Lebenswirklichkeit, die uns bisweilen daran hindern, mehr als das Gewohnte wahrzunehmen. „Landet, wer Jesus nachfolgt, im Burnout, weil alle anderen stets wichtiger zu sein haben als die eigenen Bedürfnisse?“, so fragt die Autorin etwa in der Auslegung zum 16. Sonntag im Jahreskreis. In unserem heutigen Leben dominieren manchmal Oberflächlichkeit (z. B. die banalisierte Welt, die im Gegensatz steht zu dem fein Erspürenden am Hochfest Fronleichnam), Sicherheit und Kontrolle anstatt des Abenteuers, Jesus zu folgen (vgl. die Auslegung zum Dritten Sonntag im Jahreskreis: Wir sollen Jesus folgen und von ihm lernen).
„Der Herr ist mit dir.“ – So kurz und kompakt ließe sich zusammenfassen, worum es der Autorin geht. Es sind die Worte des Engels an Maria; es sind die Worte, die eigentlich an jeden von uns gerichtet sind. Auf diese Worte zu hören macht uns zu göttlichen Wesen. „So wirst du Mensch“, schreibt die Autorin in ihrer Auslegung zum Vierten Adventssonntag, und so wird die gesamte Botschaft des Buches auf einen Nenner gebracht.
Auch ohne die Bibel zu kennen, versteht man, was das Markusevangelium will, was die Frohe Botschaft bedeutet. Auch ohne die Evangelien der Sonntage zu kennen, ist das Buch eine Bereicherung. Es wird neugierig machen, sie jeden Sonntag zu hören.
Lioba Faust