Lichterfüllt
„Quadratisch, praktisch, gut.“ – Was man als Werbesatz für eine Schokolade im Ohr hat, kann von diesem aktuell im Pustet-Verlag erschienen Werk gesagt werden. „Lichterfüllt. Gebete in allen Lebenslagen“ ist mit seinem Format von 16 x 19 cm annähernd quadratisch in der Form. Auf jeden Fall ist es ein praktisches und wertvolles Buch: Wertvoll für jeden, der Gebete in moderner Sprache sucht und sich überhaupt dem Thema „Beten“ neu annähern möchte.
„Lichterfüllt“ kommt in seiner Aufmachung frisch und jung daher. Es schließt an eine Reihe von Büchern früherer Jahrzehnte an, die man mit dem Begriff „Gebetsschatz“ versehen hat. Dieser aktuelle Gebetsschatz, der von der Fachstelle Liturgie des Bischöflichen Ordinariats Regensburg herausgegeben wurde, will aber keinesfalls nur Altes neu geordnet darstellen. Vielleicht war es eine bewusste Entscheidung gegen die Gefahr der „Ermüdung“ beim Lesen oder einfach eine Frage der Priorisierung: Der Leitfaden, wie Beten geht bzw. gelingt, findet sich nicht am Anfang des Buches, sondern auf den letzten Seiten. Die ersten 200 Seiten sind voll von Gebeten zu allen möglichen Anlässen, die Quellen hierzu sind moderne Autoren. Es geht sozusagen von Anfang des Buches an gleich zur Sache. Wer trotzdem eine Starthilfe für das Beten benötigt, findet diese – genau mit dieser Überschrift „Starthilfe“ – komprimiert auf Seite 8. Hier wird auch auf das Themenregister (S. 228–230) und das Inhaltsverzeichnis als Gliederungshilfe verwiesen. Tatsächlich sind es Rubriken, die den Alltag eines gläubigen Menschen durchziehen, die hier Gebetsanlässe und passende Texte zusammentragen: Es finden sich Gebete im Verlauf des Kirchenjahres, im Zyklus des Lebens, durch den Tag, Gebete in Natur, Freizeit und Urlaub, in besonderen Anliegen und Situationen, in Krankheit und Leid, im Umfeld von Sterben, Tod und Trauer. Ein Gebet für den Karsamstag (S. 37) ist hier ebenso zu finden wie ein Gebet zum Antritt einer neuen Arbeitsstelle (S. 84), ein Gebet an einem Gewässer (S. 139) oder ein Gebet vor einer Operation (S. 182), um nur einige wenige Anlässe zu nennen.
Die Gebete sind in verständlicher Sprache und persönlichem Ton verfasst. Oft laden sie ein, selbst weiter zu formulieren und auf die jeweils aktuelle Situation anzupassen bzw. zu ergänzen. „Lichterfüllt“ ist damit nicht ein Werk, das den Anspruch erhebt, erschöpfend alle Themen bearbeitet zu haben. „Lichterfüllt“ ist ein Buch, das – auch mit seinem Lesebändchen – immer wieder zur Hand genommen werden kann, dann aber auch zu einem persönlichen (Weiter-)Beten einlädt. Die zahlreichen Bilder zeigen meist flächige, abstrakte Darstellungen, i.d.R. aus Kirchenfenstern. Sie sind einerseits Orientierungshilfe im Buch selbst – man findet sie jeweils zum Beginn eines neuen Kapitels –, andererseits sind sie Anstoß zu Bildbetrachtungen und -meditationen. Freilich ist dies bei abstrakten Darstellungen nicht jedem zugänglich, aber das muss es auch nicht sein. „Lichterfüllt“ kommt unaufdringlich daher, ist ein Begleiter für Einzelne und Familien oder kleine Gruppen. Es hat in seiner wertigen Aufmachung auch den Charme eines Geschenkbüchleins, das zum Durchblättern, aber mehr noch zum Verweilen und Nachdenken, zur Kommunikation mit Gott einlädt.
Den Herausgebern dürfte bewusst sein, dass persönliches Beten auch bei kirchlich-gebundenen Gläubigen abnimmt. Der allgemeine Hang, religiöse Themen den „Profis“ zuzuschreiben – und so auch das Beten bei den Hauptamtlichen zu lassen – ist nicht zu leugnen. Das vorliegende Buch spricht eine andere Sprache. „Lichterfüllt“ ist „von Menschen für Menschen“ geschrieben und zusammengestellt worden, für all jene, die menschlich denken, fühlen und sprechen, für Menschen, die auch menschlich beten wollen. Ein wenig bedauerlich, dass am Ende für „Mein Lieblingsgebet“ nur eine Seite (S. 231) bleibt bzw. nicht ein paar weitere Leerseiten zur Verschriftlichung „eigener Gebete“ vorhanden sind. In der schon erwähnten „Starthilfe“ wird empfohlen, Lieblingsgebete bzw. anlassbezogene Gebete durch Abfotografieren digital auf dem Handy mitzunehmen. Eventuell wäre es an manchen Stellen für die „Digital Natives“ (also die Generation unter 30) praktisch gewesen, QR-Codes zu setzen, die auf Internetseiten führen, auf denen einzelne Gebete des Buches zu finden sind. Bei aller Gedankenspielerei zu digitalen Erweiterungsformen zu „Lichterfüllt“: Den Herausgebern und dem Verlag ist ein sympathisches Werk gelungen, das man gern weiterempfehlen und weiterschenken kann – zu einem ansprechenden Preis-Leistungs-Verhältnis.
Es bleibt zu wünschen, dass „Lichterfüllt“ nicht das Schicksal so mancher Gebetbücher ereilt, im Bücherschrank zu verstauben. Dafür ist es in der Aufmachung, im Inhalt und der durchgängig lebensnahen Sprache zu schade. Ein Gebetsbeispiel aus „Gebete in besonderen Situationen“: „Durchbruch. Endlich gewagt, mich anzuvertrauen, meine Schattenseiten anzuschauen, meine Verletzungen behutsam zu berühren, meine Wut auszudrücken. Endlich erahnen, wie du mich durch diese Krise zu neuer Lebenskraft begleitest. Bei dir ist die Quelle des Lebens.“ (S. 159; Verfasser: Pierre Stutz)
Zuweilen hört man gerade von Nicht-Gottesdienstbesuchern den Satz „Beten kann ich auch im Wald.“ „Stimmt!“ könnte man nun antworten: Mit „Lichterfüllt“ im Rucksack (für die Mantel-/Jackentasche ist es leider etwas zu groß) gelingt genau das sehr gut; nicht zuletzt, weil es auch ein „Gebet im Wald“ enthält (S. 135). „Lichterfüllt“ ergänzt die Tradition und den Schatz von Liturgie-Gebeten nun um zahlreiche anlassbezogene persönliche Gebete. Wer Messbuch-Gebete sucht, wird sie in „Lichterfüllt“ nicht finden. Im Vorwort wird deutlich: „Lichterfüllt“ soll kein anderes Buch (auch nicht das Gotteslob) ersetzen. Das Buch ist eigenständig, es ist praktisch, es ist gut und quadratisch – und genau darum eine runde Sache.
Robert Paulus
Bischöfliches Ordinariat Regensburg (Hg.)
Lichterfüllt. Gebete in allen Lebenslagen
232 Seiten | Hardcover mit Lesebändchen
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg
ISBN 978-3-7917-3394-4 | 12,95 €
Erhältlich über den Buchhandel und direkt beim Verlag Friedrich Pustet
